Chile 3
Region Arica bis Region Los Rios
Vom Altiplano bis zur Chilenischen Schweiz
20. Januar bis 23. Februar 2016
Fortsetzung von Bericht Bolivien 9
Die Fotos zu diesem Bericht findet man am Ende des Textes.
Da unser RMB-Mercedes-Wohnmobil nach über dreimonatiger Zwangspause nun endlich wieder rollt, fahren wir in den nächsten 5 Tagen über 3000 km nach Süden. Wir wollen noch etwas vom Sommer in Patagonien miterleben und den Norden Chiles später in Ruhe bereisen. Wir fahren vorbei an den Zwillingsvulkanen Pomerape (6250 m) und Parincota (6330 m) auf chilenischer Seite. An der Grenze herrscht Chaos. Massenweise LKW stehen in einer Länge von mehreren hundert Metern und direkt bei der Abfertigung kreuz und quer. Wir fragen uns irgendwie durch, ebenso wie eine Familie aus La Paz, die auch nicht weiß, wie es weitergeht. Über den 4660 m hohen Pass und erreichen nach 14 km die Grenzabfertigung der Bolivianer und der Chilenen. Wir fahren an der LKW-Schlange vorbei und fragen uns durch. Zunächst erhalten wir von der Migracion Bolivia den Ausreisestempel in die Pässe und bekommen einen Laufzettel, der von allen Stationen abgestempelt wird. Dann weiter zur Aduana Bolivia (Zoll), wo wir die Genehmigungen der Aduana von Bolivien für die beiden Fahrzeuge abgeben. Auf chilenischer Seite bekommen wir dann die Aufenthaltsgenehmigung für uns für 90 Tage. Dann müssen wir für unser RMB-Wohnmobil und unseren Piaggio-Motorroller ein gemeinsames Formular ausfüllen. Anschließend inspizieren die Zollbeamten ausführlich unser Fahrzeug von innen und sehen in alle Schränke, aber nicht in die Kühlbox. Dann bekommen wir die Genehmigung für die Fahrzeuge für 90 Tage und geben zum Schluss den gestempelten Laufzettel ab.
Endlich in Chile! Am Ufer des höchst gelegenen See der Erde, Lago Chungurá stehen viele Flamingos. Gleich neben der Straße gehen einige Nandus und in der Ferne sehen wir die Berge des Nationalparks Lauca. Dann führt die Straße über 200 km in ständigen Kurven aus dem Altiplano mehr als viertausend Meter tiefer hinunter bis Arica an der Pazifikküste. An der ruhigeren Fahrweise und der Beachtung der Verkehrszeichen durch die Chilenen merken wir den beachtlichen Unterschied zu Bolivien. Palmen säumen in Arica den Weg der Panamericana, aber in den Außenbezirken können wir auch ärmliche Behausungen erkennen.
Die ausgezeichnet geteerte Carretera Nacional 5 entfernt sich nun vom Meer und führt durch absolut karges menschenabweisendes Gebiet durch vegetationslose Wüste ständig bergauf und bergab bis auf ein Plateau von 1400 m. Auf der Abfahrt vorbei an steilen, bröckeligen Felsen fällt ein kinderkopfgroßer Stein direkt vor uns herunter auf die Straße und poltert unter unseren Camper. Zum Glück ist nichts beschädigt. Insgesamt 300 km führt die Panamericana durch die Desierto de Atacama, durch die der Wind den Sand fegt. Sie ist die trockenste Wüste der Erde. Nach 300 km können wir in Pozo Almonte endlich wieder tanken, für 0,60 € pro Liter ganz angenehm. Auf der Weiterfahrt bis auf knapp 2000 m Höhe sehen wir, wie auch schon in den vergangenen Tagen, viele Kreuze mit kleinen Gedenkstellen für die Opfer der Verkehrsunfälle an der Panamericana. Bergab durch eine rötliche und gelbliche Felslandschaft erreichen wir bei Chanaral den Pazifik. Endlich blau schimmerndes Wasser, welch‘ ein Kontrast zu den vergangenen Tagen, Wochen und Monaten. Wir parken am Strand und machen Rast, ehe wir über 80 km an der sehenswerten Küste entlang fahren.
In Copiapó übernachten wir am großen Parkplatz beim Park. In der Nacht klopfen irgendwelche Idioten gegen den Camper. Aber wir haben ja unseren bellenden Hasso (über Lautsprecher) dabei. Am nächsten Morgen spricht mich ein blonder Südafrikaner an. Er zeigt mir am Rücken eine Stichwunde, die ihm vor 5 Tagen ein wohl unter Drogen stehender Mann zugefügt hat, als er im Park geschlafen hat. Später lese ich, dass hier auf dem Parkplatz, wo wir neben dem Park übernachtet haben, vor ein paar Jahren Leute im Wohnmobil überfallen wurden.
Auf der Weiterfahrt nach Süden wird die Landschaft nun endlich grüner und wir sehen erste Bäume. Später an den Stränden nahmen wir Reißaus vor dem Massentourismus. Vollbelegte Parkplätze, Zelte und Fleischberge ohne Ende. Ganz Chile scheint Urlaub zu machen. Ohne Stau kommen wir durch den Stadtverkehr der Hauptstadt Santiago de Chile. Südlich der 5-Millionen-Einwohner-Stadt fahren wir dann durch das Valle Central mit seinen riesigen Weinanbaugebieten, Maisfeldern und Apfelplantagen. Später folgen Einheitswälder mit angepflanzten Eukalyptusbäumen. Und immer, wie auf unserer gesamten Reise durch Chile sehen wir Zäune, Zäune, Zäune. Dieses Land scheint komplett eingezäunt und jeder Quadratmeter verplant.
Endlich erreichen wir den Parque Nacional Laguna del Laja. Die chilenische Nationalparkbehörde CONAF verwaltet insgesamt 33 Nationalparks, 48 Reservate und 15 Naturmonumente. Etwa 19 % der gesamten Staatsfläche stehen damit unter Naturschutz. Der Campingplatz des Nationalparks Laguna del Laja wurde idyllisch in der Vulkanlandschaft zwischen Bäumen angelegt. Die Landschaft und das trockene Klima ähneln sehr Oregon/USA östlich der Cascade Mountains. Mit dem Motorroller starten wir auf der Piste und in Kurven zur Laguna del Laja, die etwa 400 m höher liegt. Nach 8 km haben wir den ersten Blick auf die Lagune. Sie entstand, nachdem im Jahre 1853 der Vulkan Antuco ausgebrochen war und seine Lavamassen das Tal zuschütteten. Durch tolle Vulkanlandschaft fahren wir anschließend oberhalb der insgesamt 35 km langen Lagune Wir wandern durch die ältesten Wälder des Parks mit den Ciprés de Cordillera und Coihue hinauf und blicken auf das vor 163 Jahren entstandene Lavafeld. Unten im Tal blicken wir auf mehrere Wasserfälle, die hier nach 4 km unterirdischem Verlauf des Rio Laja aus der Lava strömen und in die Tiefe stürzen. Nahe an rauschenden Bächen wachsen große Büsche mit Fuchsien und jahrhundertealte, mächtig verzweigte Bäume ragen in den Himmel.
Nach einigen Tagen fahren wir an einem Stausee entlang und weiter durch das malerische Tal des Rio Bio Bio. Auf der Piste hoppeln wir mit unserem Piaggio durch idyllische Wald- und Wiesenlandschaft der Puenche-Indigenas, die hier seit Jahrhunderten leben. Ihre Holzhäuser sind einfach und auf den Grundstücken laufen Kühe, Schweine, Hühner und Gänse herum. Immer wieder haben wir von oben schöne Ausblicke auf den Rio Quenco, aber der Zugang wird immer durch Zäune und Gatter verhindert. An einer Stelle hat eine Pehuenche-Familie eine Wiese für Campinggäste und Tagesbesucher gegen Gebühr zur Verfügung gestellt. Wir baden und genießen ein paar Stunden bei hochsommerlichen Temperaturen im Schatten einer Weide am Rio Quenco.
Weit im Westen, hinter dem Küstengebirge erreichen wir den Lago Lanaihue und finden dort einen schönen Stellplatz. Mit chilenischen Badegästen kommen wir die nächsten Tage in lustige holprige Gespräche und genießen den Blick auf den See und die Berge. In Puerto Saavedra herrscht jetzt zur Hochsaison reger Betrieb mit fast ausschließlich chilenischen Familien. Hoch über der Küste auf dem Mirador genießen wir den Sonnenuntergang mit Elisabeth und Otto aus Bayern, Carmen aus England und Ron aus Südafrika. Mit gewaltiger Kraft brechen sich die hohen Wellen an den Felsen und am langen Sandstrand. Anhand älterer Fotos können wir erkennen, welche Macht vor ein paar Jahren ein Tsunami hier entfaltete und eine kleine Insel mit alten Bäumen komplett platt gemacht hat. Auf guter Straße rollern wir fast allein durch schöne hügelige, teils bewaldete, teils bewirtschaftete Landschaft des Küsten-Hinterlandes.
Die Auswirkungen der Hochsaison spüren wir besonders später in Frutillar und Puerto Varas, durch das sich lange Autoschlangen quälen. Der Strand aus schwarzem Lavasand am Lago Llanquihue ist dicht bevölkert von tausenden chilenischen Urlaubern. Im Osten thront über dem See majestätisch der schneebedeckte Vulkan Osorno. Wir ergreifen die Flucht, wollen erst im Herbst hierher zurückkehren. In Llanquihue sind nur wenige Touristen und wir übernachten direkt am gleichnamigen See mit Blick auf den Vulkan Calbuco, der im letzten Jahr drei Monate lang aktiv war. Bei Mercedes-Kaufmann ist unsere bereits vor einem Monat mitgeteilte Bestellung eines Ersatzteils leider nicht an Mercedes in Deutschland weitergeleitet worden. Daher müssen wir in etwa 4 Wochen wieder hier sein und werden uns bis dahin im Gebiet der chilenischen Schweiz aufhalten.
Vorher lassen wir aber bei Mercedes Kaufmann noch die Dichtungen erneuern, weil die Werkstatt in El Alto/Bolivien unsauber gearbeitet hat und unser Fahrzeug Motoröl verliert. Nachdem der Mechaniker fertig ist, lasse ich den Motor laufen und weise sofort auf die unnormalen Motorgeräusche hin: Es klappert, als wenn eine Schraube oder Scheibe im Motor herumgewirbelt wird. Bei der Probefahrt mit zwei Werkstattmeistern ist das Klappern zunächst noch zu hören, tritt dann aber nicht mehr auf. Die Firma Kaufmann entschuldigte sich für die schlechte Arbeit des Mechanikers, der erst kurze Zeit in der Firma arbeitete. Es wurden uns keine Kosten berechnet. Sie wussten sicher auch, warum.
(später in Argentinien trat das Klappern wieder auf und begleitete uns noch verstärkt bis zum Ende unserer Reise. In Deutschland musste der Motor durch einen Austauschmotor ersetzt werden. Dies ist wieder ein Beispiel für unfähige Automechaniker in Südamerika.)
Ab Llanquihue fahren wir später am Nordufer des Lago Panguipulli entlang und blicken auf die beeindruckende Gebirgslandschaft der Anden. Über eine Piste erreichen wir Puerto Fuy. Dahinter erheben sich die schneebedeckten Zwillingsvulkane Choshuenco und Mocha. Die Fähre Hua Hum bringt uns über den schmalen über 20 km langen Lago Pirihueico vorbei an einer malerischen, von unberührten Urwäldern bedeckte Landschaft. Hier, an der Grenze zu Argentinien ist von ausuferndem Tourismus keine Spur.
Über eine schmale Piste erreichen wir den kleinen Lago Neltume und verbringen herrliche Tage auf einem Stellplatz, wo der Fluss in den See mündet. Provisorisch mit Panzerband und Silicon reparieren wir nochmals die vielen kleinen Schäden unseres 39 Jahre alten Faltboots und paddeln hinüber zum anderen Ufer. Die Büsche hängen voll mit reifen Brombeeren und Tina ist fleißig am Sammeln. Der vitaminreiche Nachtisch ist gesichert. Ein uralter grüner Monster-Campingbus drei Meter neben uns mit stundenlang eingeschaltetem Generator bestärkt uns dann zur Weiterreise. Berührungsängste hat man hier in Südamerika nicht.
In Conaripe hat uns dann auch der Massentourismus in der Hochsaison wieder. Souvenirshops, Restaurants, Supermärkte und viele Cabanas sorgen für die nötige Infrastruktur. Zu Tausenden liegen die Menschen unter bunten Sonnenschirmen am schwarzen Sandstrand des Lago Calafquen und baden im klaren, warmen Wasser. Dahinter erhebt sich der schneebedeckte, rauchende aktive Vulkan Villarrica, der im März 2015 zum letzten Mal ausgebrochen ist. Mit unserem Piaggio-Roller fahren wir 17 km über eine kleine Schotterpiste hinauf zu den Termas Geométricas. An der Südostflanke des Vulkans Villarrica ergießt sich heißes Wasser in den Cajón Negro. In dieser engen Schlucht mit schwarzen Felsen hat man das Wasser mit Natursteinen in 16 Becken bis über 40° Grad Temperatur gestaut. Sie sind durch Holzstege miteinander verbunden und auch die Umkleidekabinen sind der Umgebung angepasst. Üppige Blätter wachsen hier und Riesenfarne hängen von den Wänden herunter. Dazu ergießen sich eiskalte Wasserfälle in die Schlucht. Ein tolles Erlebnis für ein üppiges Eintrittsgeld!
Ganz allein paddeln wir später mit unserem Faltboot auf der abgelegenen Laguna Pullingue und baden im glasklaren Wasser. Hinter dem Ende des Sees erscheint der 25 km entfernte schneebedeckte Vulkan Villarrica sehr nah. Die Fahrt um den 40.000 Hektar großen Lago Ranco bietet nur an der Südseite einige Ausblicke auf den See. Ansonsten umrahmen private Grundstücke fast das gesamte Ufer. In einem kleinen Ort sehen wir uns ein interessantes Fußballspiel auf einem der vielen Kunstrasenplätze an und bekommen dann die Erlaubnis, daneben auch zu übernachten. Ansonsten werden auch die Zufahrten zu Sportplätzen abgeschlossen. Überhaupt ist in Chile festzustellen, dass es nur wenige öffentliche Flächen zum Parken oder Wandern gibt, ganz anders als in Deutschland. Auch Parkplätze in den Orten gibt es fast gar nicht, es wird eng an der Straße geparkt.
In Puerto Montt, der Hafenstadt mit 160.000 Einwohnern, besorgen wir uns bei CONAF den Jahres-Pass für die chilenischen Nationalparks. Mit dem Motorroller haben wir keine Probleme, am Fischereihafen von Angelmó zu parken, wo hunderte Autos dicht an dicht stehen. Im Erdgeschoss der direkt aneinander grenzenden alten Holzhäuser werden frischer Fisch und Meeresfrüchte, Gemüse und Käse verkauft. Im Obergeschoss kehren wir in einem der vielen Mini-Restaurants ein, die vielleicht früher einmal die kleinen Esszimmer von Fischerfamilien gewesen sein könnten. Uns gefällt die urige Atmosphäre der holzvertäfelten Räume, und von dort blicken wir hinunter auf den kleinen Hafen. In den nur 4 Quadratmeter kleinen Küchen zaubern die Fischerfrauen Leckereien aus dem Meer.
Wir entschließen uns, ein paar Wochen in Argentinien zu verbringen, um bei der Wiedereinreise nach Chile eine erneute Aufenthaltserlaubnis für 90 Tage zu bekommen. Bei der modernen Fleischerei Mödinger decken wir uns noch mit Verpflegung ein und fahren dann durch malerische waldreiche und gebirgige Landschaft an der Südseite des Lago Puyehue entlang. Durch die Urwälder des gleichnamigen Nationalparks führt die Straße dann hinauf zum 1308 m hohen Paso Samoré nach Argentinien.
Fortsetzung siehe unter Argentinien 7