Brasilien 6

 

Bundesstaaten Mato Grosso bis Rio de Janeiro

 

Vom 29. September bis 10. Oktober 2014

 

Fortsetzung von Bericht Brasilien 5.

 

(Die Fotos zu diesem Bericht findet man am Ende des Textes)

 

In 900 m Höhe der Chapada dos Guiamares können wir endlich mal wieder gut schlafen und mit reichlich frischer und kühler Luft im Körper fahren wir weiter Richtung Osten. Beim Tanken werfen junge Brasilianer einen Blick in unser rollendes Haus. Die MT 344 bis Jaciara ist bisher die schlechteste Nebenstraße in Mato Grosso mit kanaldeckelgroßen Schlaglöchern. Die BR 364 nach Rondonopolis ist von vielen LKW befahren und noch katastrophaler, wir fahren nur mit 60 km/h, um den Schlaglöchern auszuweichen. Ein PKW rast mit etwa 100 km/h rechts an uns vorbei und auch den LKW-Fahrern sind wir zu langsam. Die Brasilianer sind ja nette Leute, aber das ist vorbei, wenn sie hinter einem Lenkrad sitzen. Sie überholen, wann immer es möglich oder nicht möglich ist. Und am Berg können die vollbeladenen Laster dann manchmal nicht schneller als 30 km/h fahren.

 

In den folgenden Tagen wiederholt sich das eintönige Landschaftbild: Riesige Weideflächen und Felder erstrecken sich bis zum Horizont, Fazendas mit Rindern, abgeerntete Zuckerrohrfelder, Silos, Baustellen. Immer wieder zwischen Bananenstauden und Buschwerk Müll neben ärmlichen Hütten. Der wüstenwarme schwüle Fahrtwind bringt bei 35° Grad keine Abkühlung im Camper. Wie so oft auf unserer Reise bedauern wir die Straßenbauarbeiter, die in langer Bekleidung, mit Helm und manchmal noch mit Gesichtsschutz bei diesen hohen Temperaturen arbeiten müssen. Inzwischen sind wir in Brasilien schon über tausende Lombadas (bis zu 15 cm hohe Straßenschwellen) gefahren und wir werden uns wohl nie daran gewöhnen. Anscheinend sind die brasilianischen Autofahrer nicht anders zu bändigen. Ein Fahrradfahrer hängt sich hinten an einen LKW-Anhänger dran und lässt sich berghoch ziehen. Später sind wir bei anbrechender Dunkelheit auf der rechten Spur der 4-spurigen Straße. Vor uns wechselt ein LKW von der rechten auf die linke Fahrspur, um den langsameren LKW zu überholen und ist schon fast neben ihm. Da rast ein PKW mit Standlicht mit etwa 120 km/h rechts auf der Standspur an uns vorbei und zwängt sich fast kippend zwischen den beiden LKW mit blitzartigem Links-Schwenker durch die vielleicht fünf Meter kleine Lücke. Der muss betrunken sein oder Drogen genommen haben! Unglaublich, was man hier so erlebt! Das war eine Szene wie in einem amerikanischen Action-Film!

 

Bei Itaipava biegen wir links ab auf die kleine gut geteerte Nebenstraße BR 495, die von 600 m auf 1.434 m in vielen Kurven hoch in die Berge des Parque Nacional da Serra dos Orgaos führt. Trotz bedecktem Himmel haben wir schöne Ausblicke auf diese herrliche Berglandschaft mit seinen für dieses Gebiet typischen runden Felskegeln, die von den dichten tropischen Wäldern des Mata Atlantica umsäumt werden. Der Park erhielt seinen Namen durch die ungewöhnlichen bis über 2.200 Meter hohen Felsspitzen, die wie Orgelpfeifen in die Höhe ragen. Wir machen Rast und nutzen die Möglichkeit, unsere Trinkwasservorräte an einer Quelle aufzutanken.

 

Nachdem wir den Pass überquert haben, geht es ebenso kurvenreich hinunter nach Teresópolis. Wir biegen links ab auf die steile und grob gepflasterte Straße zum Camping Quinta da Barra. Mit unserem Motorroller erkunden wir die Umgebung und vom Aussichtspunkt haben wir einen schönen Blick auf die Stadt, die völlig vom Parque Nacional da Serra dos Orgaos eingeschlossen ist. In etwa zehn Kilometer Entfernung sehen wir auch die bemerkenswerteste Felsformation des Küstengebirges, den Berg Dedo de Deus (Finger Gottes). Für unseren Besuch in Rio haben wir Montag bis Freitag vorgesehen, um die zusätzlichen Wochenendtouristen zu meiden und nach der Wettervorhersage können wir sonnige Tage mit ca. 28° Grad erwarten. Die Bustickets haben wir am Vortag besorgt und bei der Pousada Casa Àurea im Stadtteil Santa Teresa ein Zimmer reserviert. Unser RMB-Wohnmobil steht auf dem Campingplatz in Teresópolis anscheinend sicher.

 

Bei der Busfahrt haben wir bei klarer Sicht herrliche Ausblicke aus 600 Meter Höhe hinunter auf die Tiefebene bis zum hundert Kilometer entfernten Atlantischen Ozean. Nach drei Stunden erreichen wir die Busstation Castelo in Rio de Janeiro und lassen uns mit einem Taxi in den Stadtteil Santa Teresa zur Pousada Casa Auréa bringen. Eine empfehlenswerte familiär geführte, saubere und sehr geschmackvoll eingerichtete Pousada (www.casaaurea.com.br) . Übrigens ist der Stadtteil Santa Teresa ringsherum von Favelas (Armenvierteln) umgeben und nachts nicht ganz ungefährlich. Aus Sicherheitsgründen habe ich in Rio nicht meine Spiegelreflexkamera, sondern nur eine einfache Digitalkamera dabei. Unsere Eheringe haben wir abgelegt und Bargeld jeden Tag immer nur in der notwendigen Menge dabei. Bei uns ist also nicht viel zu holen.

 

Mit dem Bus der Linie 161 fahren wir ab Gloria für umgerechnet nur 1 Euro insgesamt zwei Stunden durch das Zentrum, dann Richtung Südwesten am Botanischen Garten vorbei bis nach Leblon, Ipanema und Copacabana und zurück. So haben wir uns schon einen guten ersten Überblick verschafft. Am nächsten Tag gehen wir etwa zwei Kilometer die Straße hinauf zum Mirante Santa Marta. Die Straße führt durch den Parque National Tujuca, der gleich am Stadtrand von Rio beginnt. Mit fast 40 Quadratkilometer Ausdehnung ist es das größte innerstädtische Regenwaldgebiet und der drittgrößte Stadtpark der Welt. Wenn man durch den tropischen Wald mit seiner dichten Vegetation geht, glaubt man kaum, dass man der Millionenmetropole ganz nah ist. Vom Mirante (Aussichtspunkt) Santa Marta haben wir bei schönem Wetter einen herrlichen Blick hoch zum 350 m höher gelegenen Corcovado mit dem Christo do Redentor, hinunter auf Rio de Janeiro mit dem Stadtteil Botafogo zum Páo de Acúcar (Zuckerhut) und auf das Meer. Direkt an die Gebiete mit den Hochhäusern grenzen die Favelas der Armen mit den kleinen unfertigen Ziegelsteinhäuschen. Insgesamt schätzt man die Zahl der Armenviertel in Rio auf fast Tausend!

 

Mit der Metro fahren wir zum Maracaná-Stadion und nehmen an einer interessanten Besichtigung teil. Im Centro an der Praca Floriano besuchen wir das altehrwürdige und renovierte Theatro Municipal, das durch sehenswerte Marmorböden-, -säulen und -skulpturen, Bilder im mehrstöckigen Foyer und einen malerischen Saal beeindruckt. Innen und außen wurden bei der Renovierung insgesamt über 200.000 Blatt Gold verwendet. Im Centro besichtigen wir die von außen unscheinbare, aber innen vollständig mit Blattgold verzierte Kirche Sao Francisco. Wir gehen weiter zur modernen in Form eines riesigen Kegelstumpfes errichtete Catedral de Sao Sebastiao. Das Gebäude ist 80 Meter hoch und fasst bis zu 20.000 Menschen. An der Praca Floriano sitzen wir bei einer Tasse Kaffee bei der Bar und Botequim Amarelinho draußen im Schatten und beobachten das rege Treiben rund um das Theatro Municipal, Stadtparlament und Biblioteca Nacional.

 

Mit dem Bus fahren wir dann zum Stadtteil Cosme Velho und von dort mit dem Van-Taxi hoch zum Parque Nacional do Tijuca. Dort steigen wir um in einen Van des Nationalparks, der uns am Corcovado absetzt. Wir gehen die Treppen hinauf zur Statue des Cristo do Redentor (Christus der Erlöser) und genießen die tollste Aussicht aller unserer bisherigen Reisen. Bei herrlicher Fernsicht bietet sich ein 360° Grad-Rundumblick auf eine der am schönsten gelegenen Städte der Welt. Im Gegensatz zu den anderen Touristen haben wir viel Zeit und verbringen fast fünf Stunden hier oben. Wir erleben den Sonnenuntergang über den Bergen des Parque Nacional do Tijuca, dann das Schauspiel des Lichtermeers von Rio in der anbrechenden Dunkelheit und zu unserer Überraschung den Vollmond-Aufgang über der Ostküste hinter der Stadt. Phantastisch!

 

Kurz nach 8 Uhr sind wir per Taxi am nächsten Tag am Pao de Acucar (Zuckerhut). So früh müssen wir nicht warten und können gleich mit der nächsten Seilbahn auf den Morro de Urca, die Mittelstation, fahren. Von dort haben wir bei Sonnenschein und blauem Himmel einen ersten herrlichen Blick auf die Stadtteile Botafogo, Flamengo und hoch zum Corcavado. Dann fahren wir mit der zweiten Seilbahn weiter auf den Gipfel des Pao de Acucar. Tolle Ausblicke bieten sich nunmehr auch auf die Stadtteile Copacabana, Ipanema und Leblon im Westen. Richtung Norden können wir bis zum Centro, dem Hafen, die Rio-Niteroi-Brücke sehen. Und im Osten erkennen wir die Stadt Niteroi sowie die langen Sandstrände. Wir spazieren noch über kleine Wege durch den dichtbewachsenen Wald und sind überrascht, dass sich hier kleine Äffchen durch die Äste schwingen, und sich immer wieder mit Geschrei vor den Raubvögeln warnen. Zwei Stunden bleiben wir hier oben und genießen diese unvergleichliche Aussicht.

 

Später spazieren wir an den Stränden von Leblon und Ipanema entlang, setzen uns in den feinen weißen Sand und beobachten das lockere brasilianische Leben. Ein Stück gehen wir noch oberhalb der Copacabana entlang und fahren anschließend in das Centro. Dort kehren wir in der bekannten Confeitaria Colombo ein. Im Eingangsbereich werden Kuchen und Torten in allen Formen und Farben an Tresen im historischen Ambiente verkauft. Im Café lassen wir die Atmosphäre dieses Jugendstil-Cafés aus dem Jahre 1894 bei Kaffee und Kuchen auf uns wirken. Riesige Spiegel, die von teurem Holz eingerahmt sind und passendes Mobiliar unter einer großen bunten Glaskuppel lassen ahnen, wie stilvoll man hier schon vor mehr als hundert Jahren gelebt hat.

 

Als wir am letzten Tag im Centro aus dem Bus ausgestiegen sind, werden wir von einem freundlichen jungen Mann darauf hingewiesen, dass die Gegend ein Stück weiter unsicher wird und wir auf unsere Sachen aufpassen sollen. Eine Seilbahn führt vom Centro hoch in die Favela-Gebiete. Eigentlich wäre ich da gern mal hochgefahren, zumal einige Favelas durch massive Polizeipräsenz inzwischen „befriedet“ wurden. Aber gestern habe ich im Internet gelesen, dass es dort oben in letzter Zeit Schießereien mit Toten gegeben haben soll. Dann lassen wir das lieber. Wir gehen nun ein paar hundert Meter durch ein Stadtgebiet, in dem uns nicht ganz wohl ist, an einigen heruntergekommenen auf dem Gehweg liegenden Typen vorbei. Schließlich spazieren wir hoch zum Kloster Sao Bente, das aber zurzeit renoviert wird. Wir schlendern durch die Gassen mit vielen kleinen Geschäften und Klamotten-Verkaufsständen, kaufen T-Shirts. Viele Einheimische drängen sich hier und außer uns offensichtlich nur wenige Touristen. Wir bummeln durch die Innenstadt und laufen die steilen Straßen hinauf nach Santa Teresa.

 

Der Teresopolis-Bus fährt pünktlich um 17:15 Uhr ab, aber quält sich zunächst zwei Stunden lang durch die vollen Straßen der Innenstadt am Hafen entlang. Dann mit dem zäh fließenden Feierabendverkehr stadtauswärts. Eigentlich sollte die Busfahrt zwei Stunden bis Teresopolis dauern, aber wir kommen erst nach fast fünf Stunden dort an. Mit dem Taxi lassen wir uns zum Campingplatz bringen und fallen müde in die Betten unseres Hotel Vagabundo. Obwohl wir keine Freunde von Großstädten sind, müssen wir feststellen, dass der Besuch in Rio de Janeiro für uns ein unvergessliches Erlebnis war. Wir sind mit der Metro, vielen Bussen und Taxis gefahren und insgesamt fast 30 Kilometer gelaufen und haben diese Weltstadt intensiv genossen.

 

Fortsetzung siehe Bericht Brasilien 7.