Brasilien 4

 

Bundesstaaten Bahia bis Parana

 

Vom 14. Juli bis 27. August 2014

 

Fortsetzung von Bericht Brasilien 3

 

Die Fotos zu diesem Bericht findet man am Ende des Textes.

 

Wir verlassen die Küste von Bahia und fahren durch die flache Weide-Landschaft, in der die gepflanzten Eukalyptusbäume und Kokospalmen unansehnlich in Reih‘ und Glied stehen. Außer Armutsvierteln mit alten Holzhütten sehen wir aber auch öffentlich geförderte Baugebiete mit neuen gemauerten kleinen bunten Häuschen und wenige teure Häuser, die mit hohen Mauern, Stacheldraht und Hunden gesichert sind. Auf der Weiterfahrt im Osten Bahias winken uns immer noch vereinzelt Autofahrer zu. Eine Eisenbahn mit ca. 250 mit Kohle beladenen Waggons fährt vorbei, als wir an einer Baustelle halten müssen. Der Zug kommt aus dem nahen Bundesstaat Minas Gerais, wo es riesige Kohle- und Eisenerzvorkommen gibt.

 

Später kommt uns ein Auto entgegen, das bis vorn über die Frontscheibe mit Büschen beladen ist. Fahrer und Beifahrer gucken während der Fahrt aus den Seitenfenstern heraus. Nach der Übernachtung auf einem Autoposto hat der Trucker hinter uns Probleme mit dem Anlasser. Wir reichen ihm und seiner Beifahrerin erstmal eine Tasse heißen süßen Kaffee. Dann springt der Motor an. Ein anderer Trucker ist gerade draußen beim Zähneputzen und zeigt uns nebenbei „7:1“. Ich winke mit dem DFB-Trikot, er und die anderen lachen. Auf der Weiterfahrt durch die Berge des Bundesstaates Minas Gerais erleben wir wieder brenzlige Verkehrssituationen, wie jeden Tag. Da wundert uns nicht, dass die Zahl der Verkehrstoten in Brasilien pro Jahr bei 35.000 liegt, etwa zehnmal so viel wie in Deutschland! Wir fahren vorbei an riesigen durch Stacheldraht abgesperrte Tagebaugebiete der „Mina Alegria“, wo ganze Berge abgetragen werden.

 

Wir erreichen die ehemalige Goldgräberstadt Ouro Preto mit ihrer engen Hauptstraße, auf der die Autos zum Teil nur wechselweise fahren können. Die steilen Nebenstraßen sind für uns viel zu schmal und oftmals auch zu steil. Wir tuckern langsam über die Kopfsteinpflasterstraßen, am Praca Tiradentes vorbei und stadtauswärts zum CCB-Campingplatz am Ortsrand, der für die nächsten Tage unsere „Insel“ sein wird. Mit dem Roller fahren wir die 3 km in den Ort und sehen uns in der Umgebung des Praca Tiradentes zu Fuß um. Es ist Wochenende mit vielen brasilianischen Touristen und Schulklassen. Vom Palacio dos Governadores blicken wir auf den kopfsteingepflasterten Platz des Unabhängigkeitskämpfers, gegenüber zum Museu da Inconfidencia und die anderen den Platz umrandenden Gebäude. Dahinter schweift unser Blick auf die Kirchen der Umgebung. Ouro Preto (Schwarzes Gold) ist eine der bedeutendsten Sehenswürdigkeiten Brasiliens und wurde von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. In der Nacht dröhnt die Musik der gegenüberliegenden Disco bis drei Uhr zum Campingplatz herüber.

 

Mit dem Roller fahren wir zum Nachbarort Mariana, sitzen im alten von Dampfmaschinen betriebenen Goldgräberwagen und fahren in die stillgelegte Goldmine „Mina da Ouro da Passagem“, die älteste Goldmine Brasiliens. Von 1719 bis 1985 wurde dort Gold abgebaut. Etwa 300 m gehen wir bei einer Führung durch die großen Stollen und besichtigen oben noch das Museum. Wir rollern weiter ins Centro von Mariana und stellen dort an der Praca Minas Gerais unseren Roller ab. Gleich werden wir von einem schwarzen „Wächter“ angesprochen, der für 1 R$ dafür sorgt, dass dem Kleinen nichts passiert. In der Catedral Basilica da Sé besuchen wir ein Orgelkonzert auf einer deutschen Orgel aus dem Jahre 1701. Wir schlendern weiter durch die Gassen und besichtigen noch die Igreja N. S. do Carmo und die Igreja Sao Francisco de Assis mit ihren außergewöhnlichen Portalen.

 

Zurück in Ouro Preto wollen wir hoch zur Igreja de N.S. das Merces e Perdoes oben auf den Hügel fahren. Doch die Kopfsteinpflasterstraße ist teils uneben, aber vor allem so steil, dass wir auf halber Höhe abbrechen müssen. Hier fährt auch kein Auto hoch. So eine steile Straße sind wir noch nie gefahren. Also muss meine schwerere bessere Hälfte absteigen und zu Fuß gehen, während ich auf Empfehlung der Anwohner einen anderen, fast genauso steilen Weg mit dem Roller nehme. Von oben haben wir jedenfalls einen herrlichen Blick auf die Stadt. Auch in den nächsten Tagen genießen wir die Atmosphäre in dieser außergewöhnlich sehenswerten Stadt in den Bergen von Minas Gerais. Als wir weiterfahren wollen, hat sich unter unserem Vagabundo ein kleiner See gebildet. Unser Nachbar hat sein Abwasser einfach auf den Rasen abgelassen und das leichte Gefälle hat das Zeug zu uns fließen lassen. Das ist hier üblich.

 

Später in Congonhas fahren wir hoch zur Basilica do Senhor Bom Jesus de Matosinhos, eine der bedeutendsten Sehenswürdigkeiten von Minas Gerais und UNESCO-Weltkulturerbe. Hier hat der Künstler Aleijadinho einige seiner größten Werke vollbracht. Vor der Basilica stehen seine Statuen der zwölf biblischen Apostel und darunter auf dem großen Vorplatz stehen sechs kleine Kreuzwegkapellen. In diesen hat er 64 eindrucksvolle Skulpturen aus der Passionszeit Christi geschaffen.

 

In gemütlichem Tempo erreichen wir Sao Joao del Rei. Wir bewegen uns immer noch in einer Höhe um tausend Meter bei angenehm trockenen Klima, 25° Grad und Sonnenschein. Es ist eine abwechslungsreiche Landschaft mit hügeligem Weideland, roter Erde und Fazendas, vielen Termitenhügeln, Orangenhaine und vereinzelten Waldgebieten. Im Ort gibt es keinen Campingplatz und so holpern wir die paar Kilometer auf Kopfsteinpflasterstraße weiter bis Tiradentes. Dort stellen wir unser RMB-Wohnmobil auf ein mit Unkraut bewachsenes Grundstück, nachdem wir vorher die Nachbarin gefragt haben. Am Spätnachmittag spazieren wir noch zwei Kilometer durch den verschlafenen Ort, der eines der schönsten barocken Schmuckstücke Brasiliens ist. In der Hochsaison soll er total überlaufen sein, jetzt sind wir fast die einzigen Touristen. Wir gehen auf den großen Steinplatten, die vor etwa 300 Jahren von Sklaven verlegt wurden, hinauf zur Igreja Matriz de Santo Antonio. Am nächsten Tag gehen wir auf einer Allee mit blühenden und stark nach Orangen duftenden Bäumen im oberen Ortsteil von Tiradentes vorbei an schönen Häusern mit gepflegten Vorgärten. Hier wohnen keine armen Leute und oftmals scheinen es Wochenendhäuser von Reichen zu sein. Auch scheint es ein Konzept zur Erhaltung der historischen Bausubstanz zu geben, nach der sich alle zu richten haben. Außerdem sind alle Straßen sehr sauber und wir sehen keinen Müll, ganz ungewöhnlich für Brasilien. Wir besichtigen die phantastische Igreja Matriz de Santo Antonio von innen mit ihren vergoldeten Altaren und einer 1779 in Deutschland hergestellten Orgel. Vom Vorplatz starten die kitschigen rosaroten Pferdekutschen, die so gar nicht in dieses Ambiente passen, sondern eher in eine brasilianische Telenovela. Dann bummeln wir weiter die Gassen hinunter durch die Gassen, die sich immer mehr mit Menschen füllen. Hier gibt es viele Souvenirgeschäfte, Pousadas und nette Restaurants und am Largo das Forras beobachten wir das Treiben von der Terrasse eines Cafés. Es ist herrlich hier und das trockene angenehme Klima trägt dazu bei. Für uns ist Tiradentes vergleichbar mit Rotenburg ob der Tauber: Schön, aber kein typisches brasilianisches Leben von heute.

 

Auf unserer Fahrt Richtung Westen - immer in Höhen um 1.000 Meter - erreichen wir den Stausee Represa de Furmas, an dem sich ein großes Hotel angesiedelt hat. Hier in der Gegend westlich von Belo Horizonte gibt es viele solcher Stauseen, die sicher eine Gesamtlänge von über tausend Kilometern haben. Brasilien hat wirklich genügend Wasser, ganz im Gegenteil zum Westen der USA. Wir sind nun abseits aller Touristenströme unterwegs und der Zustand der Straßen ist überwiegend gut, mit Überraschungen wie 15 km Erdstraße müssen wir aber immer rechnen. Wie schon in Minas Gerais stellen wir fest, dass die Straßenränder auch im Staat Sao Paulo gepflegter sind und kaum Müll zu sehen ist. Franca erscheint aus der Ferne wie eine Stadt im amerikanischen Westen, sogar mit einigen Hochhäusern, Neubauten und ohne halbfertige Häuser wie in im Nordosten. Weiter geht’s entlang von endlosen Zuckerrohrfeldern, die mit riesigen Maschinen großflächig abgeerntet und von LKW in die Fabriken gebracht werden. Links der Straße sehen wir plötzlich das Natur-Phänomen eines Tornados, der vom abgeernteten Feld etwa hundert Meter hoch zieht. Es weht ein etwa 30° Grad warmer Wind bei trockenem Klima und durch die fahrenden Zuckerrohrtrucks wird die trockene Erde neben der Straße aufgewirbelt. Dabei sehen wir mehrmals die Entstehung von Windhosen.

 

Östlich von Barretos erreichen wir das Gelände der Festa do Peáo in 562 m wo bereits einige PKW und Wohnmobile auf Einlass warten. Die Festa do Peáo de Boiadeiro (Fest der Viehtreiber) ist das größte Rodeo der Welt mit dem Grande Final Brasil mit etwa 600.000 Zuschauern in 12 Tagen. Wir erwerben ein 3-Tages-Ticket für 150 R$ pro Person und suchen haben auf dem riesigen zu großen Teil freien Campingplatz für Paare und Familien die Auswahl. Der Single-Campingplatz ist dagegen voll belegt und dreimal so laut. An den drei Tagen bei Tagestemperaturen von 33° Grad erleben wir, wie Brasilianer ihr Rodeo-Fest feiern; im Estadio (Palco Principal). Dort sitzen am frühen Abend auf den Steintreppen vielleicht gerade mal zweitausend Besucher beim Rodeo, das ähnliche Darbietungen hat wie das Rodeo in Calgary. Zunächst die Parade der Reiter mit den Fahnen der Sponsoren, Nationalhymne, Schafreiten der Kleinen, Barrel-Ride der Mädchen und der Frauen. Dann müssen drei Reiter aus einer Herde von etwa 40 Kälbern 3 Kälber mit der gleichen Nummer in möglichst kurzer Zeit in ein Gatter treiben. Jetzt kommen auch mehr Zuschauer in die Palco Principal, als das Bareback-Riding beginnt und zur Krönung folgt das Bull-Riding. Beide Wettbewerbe sind länger als in Calgary und die Starts erfolgen von beiden Seiten der Arena. Überhaupt ist die Atmosphäre in dieser Arena schöner als in Calgary, wo die 30.000 Zuschauer auf einer einzigen großen Tribüne sitzen und die Gegenseite völlig frei ist. Auch die Leistungen der Reiter sind genau so gut wie in Nordamerika. Dazu gibt es immer laute Kommentare und viel Musik aus den riesigen Lausprecherboxen, die eine große Fläche rechts und links der Bühne einnehmen. Wenn die Bässe aufgedreht werden, vibriert der ganze Körper. Dann folgt ein Feuerwerk und der Umbau des Inneren des Palco Principal für das Konzert. Nun wird das Estádio immer voller, schließlich bilden Ordner eine lange Reihe im Inneren und von den Tribünenseiten werden die Leute langsam eingelassen, bis auch die Innenfläche prall mit Menschen gefüllt ist. Eine Super-Organisation der gesamten Veranstaltung! Es treten an jedem Abend mehrere Gesangsduos auf und die Menschen geraten schon nach den ersten Tönen in Verzückung und tanzen im Rhythmus und singen auf den Tribünen und im Inneren des Estádio. Die Arena ist mit 45.000 Zuschauern prall gefüllt. Es ist wirklich ein riesiges Gelände hier, mit dem Estadio Palco Principal, dem Memorial de Peáo, der 27 m hohen Viehtreiber-Statue, der Pferderanch für Kinder, etlichen großen und kleinen Bühnen für Musikveranstaltungen, Kinderkarussels, Restaurants, Getränkeständen und etlichen großen und kleinen Souvenirgeschäften. In den Straßen und vor den anderen Bühnen drängen sich weitere mindestens 50.000 Menschen, die Stimmung ist unvergleichlich. Und auf dem Campingplatz wird dann bis in die Morgenstunden weiter gefeiert. Der große Unterschied der Stampede in Calgary zur Festa do Peào de Boiadeiro in Barretos ist allerdings, dass in Calgary das Rodeo und das Ranchleben im Vordergrund steht, während in Barretos die Leute hauptsächlich zum Feiern kommen. Das erkennt man an den Besucherzahlen beim Rodeo in Barretos, wo zum Rodeo nur am späteren Abend mehr Menschen kommen, weil daran anschließend Musikveranstaltungen stattfinden. Viele Besucher außerhalb des Estadio scheinen sich für das Rodeo anscheinend gar nicht zu interessieren. Das ist in Calgary anders.

 

Durch unveränderte Landschaft fahren wir nach drei erlebnisreichen Tagen weiter auf der Rodovia Transbrasiliana gen Süden. Nach einer Unterbrechung durch einen gerissenen Keilriemen erreichen wir den Bundesstaat Parana, wo nach einem nächtlichen Sturm und Gewitter die Zeit der heißen Temperaturen erstmal vorbei ist. Obwohl wir bisher viele schwül-heiße Tage hatten, gab es vorher nie ein Gewitter. Unter klarem blauem Himmel überqueren später Pässe von bis zu 1.200 m, dann wird die Landschaft weitläufiger mit Kornfeldern, riesigen Getreidesilos, Weidegebieten, Eukalyptusbäumen und vereinzelten Palmen, dazwischen Araukarienwälder mit ihren unverkennbar weit ausladenden Baumkronen. In Barracao fahren wir zur Grenzstation, werden aber wieder zurückgeschickt. Wir müssen erst im Ort zwei Blocks zurück und dort bei der Policia Federal unsere Reisepässe abstempeln lassen und die Einreisedokumente abgeben. Dann fahren wir über die Grenze zur argentinischen Grenzstation.

 

In Brasilien sind wir bisher 12.260 km an 88 Tagen gefahren und haben jeden Tag in diesem schönen Land genossen.

 

Fortsetzung siehe Bericht Argentinien 1 - Misiones.