Bolivien 6
Von Samaipata bis La Paz
24.09. bis 06.10.2015
Fortsetzung von Bericht Bolivien 5
Die Fotos zu diesem Bericht findet man am Ende des Textes.
Mit schräger Blasmusik vor der Kirche von Samaipata werden wir verabschiedet; heute ist ein regionaler Feiertag.
Che Guevara
In Vallegrande ist die Tourist-Information und das Museum im Casa Cultural am heutigen Feiertag geschlossen. Wir spazieren von der Plaza einige Blocks weiter zum ehemaligen Waschhaus des Hospitals. Dort wurde die Leiche des im Nachbarort La Higuera erschossenen Revolutionärs Che Guevara aufgebahrt und das berühmte Foto von ihm gemacht. An der Außenwand des Waschhauses prangt noch heute ein großes Wandbild von Che. Als ich einen Blick ins Innere des Gebäudes werfe, stelle ich fest, dass sich im Waschhaus heute die Küche des Hospitals befindet. Am ehemaligen Flugfeld finden wir das Gedenkhaus Fosa de Che Guevara mit Gedenksteinen für ihn und seine revolutionären Mitstreiter.
Über die Cordillera Oriental
Auf einer Schotterpiste hoppeln wir bei starkem Wind weiter hinauf in die Cordillera Oriental. Die Piste scheint unendlich. Langsam wird es dunkel und der Straßenbelag wird immer gröber. Auch viele faustgroße Steine liegen auf dem Weg. Ab und zu kommt uns ein Fahrzeug entgegen oder überholt uns, oftmals sind es klapprige Busse. Sie wirbeln den feinen Staub auf und hinterlassen eine große helle Wolke. Immer wieder verengen Bergrutsche die Breite der Piste. In vielen Kurven schrauben wir uns in der Dunkelheit bergauf. Plötzlich viel Staub, aber nein, es ist Nebel, der nur noch eine Sicht von zwanzig Metern zulässt. Wir sind in den Wolken auf 3500 m Höhe. Der Pisten-Belag wird nicht besser. Ich fahre nur höchstens 15 km/h, sonst würde unser RMB Wohnmobil auseinandergeschüttelt. Immer wieder Kurven und Geröll auf dem Weg, das ich ebenfalls umfahren muss. Die wenigen anderen Fahrzeuge donnern einfach darüber. Diesen Materialfahrern gehören die Fahrzeuge ja auch nicht. Allmählich verlassen wir die Wolken und es geht langsam bergab. In 4 ½ Stunden schaffen wir gerade mal 60 Kilometer auf dieser Piste, die immerhin die Nationalstraße 7 ist. Weiter geht es langsam in Kehren bergan unterhalb fruchtbarer Felder mit immer wieder schönen Ausblicken vom bolivianischen Hochland in die bis zu tausend Meter tiefer liegenden Täler. Neben der Straße kleine alte Adobe-Häuser. Wir fragen uns immer wieder, ob darin noch Menschen wohnen. Dann kommt jemand aus der klapprigen Holztür heraus. Frauen kauern vermummt vor der Hauswand, der Wind fegt ihnen den feinen Staub entgegen. Zwei Männer tragen zusammen ein schweres Eisenteil. Wenn wir winken, winken uns die Bolivianer zurück. Vereinzelt überholen uns Rindertransporter, Mopeds fegen über die Piste. Manchmal fahren wir über Strecken aus massivem Fels, der grob behauen ist. Dann folgen tiefe ausgewaschene Rillen und kopfgroße Steine. Ich muss auf unseren tiefliegenden Dieseltank achten. Später führen ausgewaschene Kehren zum kräftigen seitlichen Aufschaukeln des Campers. Er ist auf dieser Strecke wirklich einer echten Belastungsprobe ausgesetzt. Dann bemerken wir immer wieder knirschende Geräusche am Fahrzeug. Ich lege mich unter das Fahrzeug, kann schließlich feststellen, dass sich ein dicker Granitstein hinten zwischen die Aufhängung der Feder und den Rahmen gesetzt hat und diesen schon ein gutes Stück abgeschliffen hat. Endlich haben wir 131 km Piste hinter uns, für die wir 10 Stunden gebraucht haben. Dann meinen wir zu fliegen, als wir in Epizana die geteerte Straße erreichen. In Tiraque übernachten wir direkt an der Plaza. Bereits um 5 Uhr werden wir, so denken wir, vom Marktschreier geweckt. Aber nein, es ist der Taxifahrer, der immer wieder laut „Cocha, Cocha“ ruft und für seine Fahrt nach Cochabamba wirbt.
Umgebung von Cochabamba
In Cochabamba geht es Stop-And-Go vorbei am Samstags-Markt-Gewusel, dicht von anderen Fahrzeugen bedrängt. Endlich sind wir am Parkplatz des Flughafens, wo unsere Tochter schon kurz darauf ankommt. Später stellen wir unseren Vagabundo auf dem Gelände der Eco-Lodge El Poncho beim Ort Cillacollo ab. Die Eco-Lodge liegt sehr schön und wir haben von dort einen Blick hinunter in das Tal von Cochabamba und hinauf zu den Bergen der Cordillera Oriental mit dem nahen Parque Nacional Tonari. Die Eco-Lodge verfügt über einige urige Cabanas, ein großes strohbedecktes Restaurant, eine gemütliche Außen-Bar mit Tischen und Stühlen unter Strohschirmen sowie einen Pool. Ich setze mich mit Amigo Whisky und anderen Gästen an das Lagerfeuer und mache Fotos von der glitzernden 620.000-Einwohner-Stadt Cochabamba unten im weiten Tal. Mit dem Roller starten wir zu einem Ausflug in die Berge des Parque Nacional Tonari. Zunächst noch auf Asphalt, dann auf holprigem Kopfsteinpflaster führt die Straße ständig bergauf. Im Tal und an den Hängen sehen wir einige kleine Bauernhöfe mit bewirtschafteten Feldern. Hier ist es auch verhältnismäßig grün und die Welt scheint hier nur 30 km Luftlinie von der Großstadt entfernt noch in Ordnung zu sein. Dennoch liegt immer wieder Müll an der Straße. Was wird wohl die von allen Bolivianern hochverehrte Pachamama (Mutter Erde) dazu sagen? Nach etwa 10 km in Serpentinen und 300 Höhenmetern wird dann die Straße für uns zu steil. In Tiquipaya besuchen wir die gepflegte Plaza und den typischen kleinen Markt der Einheimischen. Auf der Weiterfahrt nach La Paz ist im kleinen Hochland-Ort Legue Palca ein riesiger Markt direkt an der Straße. Hier scheinen alle Campesinos – viele in traditioneller bunter Kleidung - aus der weiten Umgebung angereist zu sein. Etwas abseits am Hang stehen etliche Tiere zum Verkauf. Das ist das typische Bolivien ohne Touristen, und wir fahren vorsichtig mittendurch. Später sehen wir Ochsengespanne auf den Äckern, in der Ferne von frischem Schnee bedeckte Berge.
Dann plötzlich Stau wegen einer Blockade in El Alto. Autos und LKW drehen und fahren auf der Überholspur der Gegenfahrbahn Richtung El Alto. Auch wir drehen und mit einem mulmigen Gefühl fahren wir zwei Kilometer auf die uns entgegenkommenden Fahrzeuge zu. Auf dringenden Wunsch meiner Mitfahrerinnen drehe ich aber dann doch um und wir stellen uns auf einen freien Platz neben der Straße. Aus sicherer Entfernung beobachten wir das unbeschreibliche Gewusel vor uns auf der Autobahn. Nicht nur Autos, sondern auch viele riesige LKW drehen immer noch und fahren über die schmale Erdverbindung zur anderen Seite, entgegen dem Verkehr nach El Alto. Kreuz und quer wird hier in der Dunkelheit rangiert, gewendet und gehupt. Ein totales Chaos, aber wir stehen hier gut. Der Spuk von gestern ist vorbei, die RN 1 wieder frei. In der Ferne sehen wir die schneebedeckten Sechstausender. Bei 0° Grad kriegen wir nur mit Starthilfe durch Wohnteilbatterien und Starthilfe-Spray den Motor in Gang. So geht es uns oft in den Höhen über Dreitausend Meter. Weiter geht‘s Richtung El Alto, vorbei an viel Müll. Mehrfach sehen wir die Reste der Blockade von gestern: große Backsteine liegen neben der Fahrbahn, kleinere Reste noch darauf. Dann rein ins Gewühl der Millionenstadt auf dem Hochplateau in 4000 m Höhe oberhalb der 1,4 Millionen-Stadt La Paz. Über viele Lomos (Straßenschwellen) hoppeln wir vorbei an kleinen Marktständen. Tausende Microbusse (Größe Toyota-Bus) transportieren die Menschen, halten schnell mal hier, mal dort rechts, drängeln sich wieder nach links ohne zu blinken, mit Blinken auf der falschen Seite oder mit Warnblinkanlage. Und es wird gehupt ohne Ende. Verengen sich die Fahrbahnen, geht man bis auf 10 oder 20 cm auf Blechfühlung. Am besten, der Klügere gibt nach. Schließlich biegen rechts ab Richtung La Paz.
La Paz
Wir halten kurz und stehen sprachlos vor diesem bis zu 700 m tiefer liegenden riesigen Talkessel, in dem sich der Millionen-Moloch bis zum Rand hin ausbreitet. Das ganze Tal ist vollgebaut mit Backsteinhäusern, die scheinbar alle noch nicht fertig sind. Zumindest sind sie nicht verputzt. In vielen steilen Serpentinen und über etliche Lomos geht es hinunter nach La Paz. Dann Richtung Massalla zunächst noch am von Abwasser verseuchten breiten offenen Betonkanal-Fluss entlang, auf dem fast meterhoher weißer Schaum schwimmt. Schließlich erreichen wir den gepflegten Colibri-Camping, der an die außergewöhnliche Mondlandschaft des Valle de la Luna angrenzt. Wir spazieren in La Paz zur belebten Plaza Pedro Domingo Murillo. Der beliebte Platz mit Brunnen und Bäumen wird umrahmt vom wuchtigen Congreso Nacional (Parlamentsgebäude), dem Präsidentenpalast mit der Palastgarde, der Kathedrale und anderen attraktiven Gebäuden. Viele Tauben flattern umher, gefüttert und gejagt von kleinen Kindern. In der Mitte des Platzes das monumentale Denkmal des Freiheitskämpfers und Rebellenführers Murillo, der an dieser Stelle gehängt wurde. An der belebten Plaza San Franzisco sitzen Hunderte Menschen auf den Treppenstufen und lassen sich von Gauklern unterhalten. Schuhputzer bieten ihre Dienste an. Wir schlendern die kleine Einkaufsstraße Calle Sagárnaga hinauf, wo vor den Geschäften ein unübersehbares Angebot von Pullovern und Ponchos aus Alpakawolle, bunte Umhängetaschen, Schmuck, Felle und vielen anderen Artikeln ausgebreitet sind. Weiter gehen wir zur Calle Linares, der Zaubergasse, wo „Zauberinnen“ und „Heiler“ geheimnisvolle Pülverchen und Mittelchen aller Art gegen böse Geister und Krankheiten anbieten. Auch Lama-Embryos hängen an den Ständen. Sie werden in Bolivien beim Hausbau an die 4 Ecken eingebaut. Für die Bewohner soll das Glück bringen und Leid abhalten.
Fortsetzung siehe Bericht Bolivien 7