Argentinien 7

 

Von Provinz Rio Negro bis Provinz Chubut

 

23. Februar bis 13. März 2016

 

Fortsetzung von Bericht Chile 3

 

Die entsprechenden Fotos zu diesem Reisebericht findet man am Ende des Textes.

 

Wegen der Lieferung der Lenkstange aus Deutschland und der Reparatur bei Mercedes Kaufmann müssen wir noch drei Wochen warten. Außerdem läuft unsere chilenische Aufenthaltsgenehmigung bald ab. Daher machen wir einen Abstecher nach Argentinien.

 

Nachdem wir den mit gelblicher Vulkanasche übersäten Samoré-Pass überquert haben, genießen wir den wolkenlosen Himmel auf der Ostseite der Anden in der Provinz Rio Negro. Wieder fallen uns die Haltemöglichkeiten neben der Straße auf, die es in Chile fast gar nicht gibt. Von einem Mirador blicken wir hinunter auf den malerisch gelegenen blau leuchtenden Lago Traful, der von dichten grünen Urwäldern umgeben ist. Viele schöne Ausblicke bieten sich auch auf den riesigen Lago Nahuel Huapi und die dahinter aufragenden Anden. Vor Bariloche stoßen wir auf die üblichen Polizeikontrollen, die es in Chile nicht gab. Auch die vielen Lomo de Burros (Eselsrücken: Schwellen über der Straße) regen mich wieder auf. Den Camper haben wir auf dem großen Parkplatz am Hafen abgestellt und Tina bleibt sicherheitshalber im Fahrzeug. Wir haben gehört, dass hier schon Wohnmobile aufgebrochen wurden. Und so beobachtet Tina zwei Gestalten, die ihren alten roten PKW rückwärts direkt neben unseren Camper abstellen. Etwa eine halbe Stunde lümmeln sie sich in ihrer Kiste und gucken nur herum. Tina sind die beiden nicht geheuer. Sie lässt über Lautsprecher unseren „Hasso“ bellen. Dann fahren die beiden weiter. Im Ort ist eine Menge los, es ist immer noch Hochsaison. Jährlich besuchen über 1 Million Touristen diese Stadt mit ihren teuren Hotels und Villen am Nahuel Huapi und den anderen Seen. Andererseits zeigen ärmliche Behausungen an staubigen Straßen in karger Umgebung am südlichen Ortsrand von Bariloche das andere Gesicht der 200.000-Einwohner-Stadt.

 

An den Ostufern des Lago Guitterez und weiteren großen Seen fahren wir viele Kilometer entlang. Wir sind immer noch im riesigen Parque Nacional Nahuel Huapi, der etwa 140 km lang und 7500 km² groß ist. Ausgedehnte Südbuchenwälder ziehen sich von den Ufern die Berge hinauf. Es ist eine wilde und fast menschenleere Landschaft, zu vergleichen mit dem nördlichen Kanada und Alaska. Im Nationalpark Lago Puelo machen wir Halt und finden einen tollen Stellplatz direkt am Seeufer. Dort frühstücken wir bei herrlichem Ausblick auf den See mit seinen dichten Wäldern und die dahinter über 2500 m aufragenden Anden. Fast allein sind wir bei Wanderungen durch den windgeschützten ursprünglichen Mischwald mit den braunstämmigen Arrayanes unterwegs und blicken vom höher gelegenen Aussichtspunkt auf den türkisgrünen See. Später besuchen wir Claudia Metz und Klaus Schubert. Die beiden haben sich hier vor 13 Jahren ein Grundstück in einem idyllischen Tal gekauft und sich mit ihren beiden Kindern hier niedergelassen. 1981 sind Claudia und Klaus mit ihren Motorrädern von Köln zu einer einjährigen Tour nach Japan gestartet, um die Schwester von Klaus zu besuchen. Daraus ist dann eine 16-jährige Weltreise geworden. Die beiden haben darüber ein sehr interessantes Buch geschrieben („Abgefahren- in 16 Jahren um die Welt“), dass wir uns schon vor einigen Jahren gekauft hatten. Und über Klaus Schubert haben wir hier in Südamerika die Versicherungen für unsere Fahrzeuge abgeschlossen. Claudia zeigt uns unseren Stellplatz auf einer Wiese. Auf zwei Seiten ziehen sich bewaldete Berge und der nahe Fluss rauscht im grünen Tal. Wir bleiben ein paar Tage, führen interessante Unterhaltungen und ich helfe Klaus bei der Arbeit. Unter einem fünf Meter hohen, schräg hervorstehenden Felsen, entzünden wir unser allabendliches Lagerfeuer und ganz allmählich breitet sich ein leuchtendes Sternenzelt über uns aus.

 

Nördlich von El Bolson starte ich bei Wharton zu einer Drei-Tages-Wanderung in dem privaten Naturschutzgebiet der Comarca Andina. Nach der Überquerung von zwei Hängebrücken und 900 Meter Aufstieg wandere ich durch den charakteristischen alten Südbuchenwald. Im urigen Refugio La Natación (einfache Herberge) an der gleichnamigen Lagune kehre ich ein. Ein alter Eisenofen zum Kochen, eine Spüle, ein großes altes Ölfass als Feuerofen, rustikale Tische und Bänke aus 5 cm dicken alten Brettern, es ist gemütlich hier. Und das hier selbstgebraute Bier schmeckt lecker. In der oberen Etage liegen Matratzen für 20 Personen und ich schlafe müde ein. Am nächsten Tag geht es steil bergab über große Felsen in einem nur ein bis zwei Meter breiten unwegsamen Bachbett hinunter. Drei junge Männer sind fix und fertig vom Aufstieg und sitzen im Schatten einer der wenigen Bäume. Auf einer Hängebrücke überquere ich den Rio Azul und bin wenig später beim Refugio Cajon del Azul. Wie einige andere Leute lege ich mich dann auf den Rasen in die Sonne und erhole mich vom anstrengenden Abstieg. Am dritten Tag klettere ich über alte lockere Leitern an der eindrucksvollen tiefen engen Klamm des Cajòn del Azul und noch ein paar Stunden am Fluss entlang.

 

Hundert Kilometer südlich fahren wir durch das verschlafene Cholila. Hier in der Gegend haben sich die amerikanischen Bankräuber Butch Cassidy und Sundance Kid zusammen mit ihrer Komplizin Etta Place niedergelassen und einen Krämerladen eröffnet. Sie waren nach ihrem letzten Überfall auf die First National Bank in Winnemucca in Nevada auf der Flucht vor den Detektiven der Detektei Pinkerton. Mit dem Schiff fuhren sie nach Buenos Aires und kauften sich später hier bei Cholila Land. Auf einer Schotterpiste weiter nach Villa Lago Rivadavia durch ländliches Tal mit Farmen, Wiesen, Weiden, Bäumen und den markanten felsigen, teils schneebedeckten Zweitausendern dahinter.

 

Schließlich erreichen wir den nördlichen Parkeingang des 263 km² großen Parque Nacional Los Alerces. Auf dem Campingplatz Puerto Canero sind wir ganz allein und stellen uns am Lago Rivadavia direkt hinter den Strand mit Blick auf den See und die Berge. Einer unserer schönsten Plätze auf unserer bisherigen Reise. Später kommen noch Bernd aus Deutschland sowie Mariana und Pepe aus Cordoba mit ihren Wohnmobilen dazu und wir verbringen angenehme Abende am Lagerfeuer. Bei einer Faltboottour auf dem Lago Rivadavia erkenne ich am rötlichen Hals den braun-grauen Magellantaucher. Ich angele Trucha Arco Iris (Regenbogenforelle) und Salmon-Trout (Lachsforelle), so dass das Abendessen gesichert ist. Auf dem Campingplatz Punta Mattos oberhalb des Lago Futalaufquen stellen wir unser RMB-Wohnmobil ab. Mit dem Piaggio-Motorroller fahren wir 20 km über die Piste und wandern durch den Wald mit uralten riesigen Zypressen und vorbei an dichtem Coligüe-Bambus bergauf zum Seco Lago Verde. Unter uns liegt der türkisgrüne See, der von unberührten Wäldern und Bergen umgeben ist. In der Ferne erblicken wir den südlichen Bereich des Lago Menéndez und über uns strahlt die Sonne von einem makellos blauen Himmel. Eine Bilderbuchlandschaft. Die feuchten pazifischen Winde dringen hier über die verhältnismäßig niedrige Gebirgskette der Anden hinweg und lassen üppig grünen valdivianischen Regenwald gedeihen. Später wandern wir auf dem Lahuan Solitario über den azurblauen Rio Arrayanes und weiter entlang des Rio Menèndez bis Punto Chuacao. Von dort bietet sich ein attraktiver Ausblick auf den Gletscher Torrecillas an der Grenze zu Chile. Auf einer zweitägigen Wanderung kann man vom Örtchen Futalaufquen aus den abgelegenen Lago Krüger erreichen. Ich aber paddele frühmorgens im ersten Sonnenschein von Punta Mattos los auf den östlichen Arm des Sees Futalaufquen. Es ist herrlich, ganz allein mit leichtem Rückenwind auf dem See zu paddeln, ringsherum die reine unberührte Wildnis. Die Berghänge am See sind dicht von Bäumen aus Coihue, Lenga und Nire bewachsen. Als ich nahe am Ufer entlang gleite, höre ich das laute Gekreische von Unmengen Papageien. Vor mir sehe ich in der Ferne die gletscherbedeckten Berge der Cordón Piramides. Was für eine zauberhafte Landschaft, vergleichbar mit den schönsten Landschaften West-Kanadas. Schon nach insgesamt eineinhalb Stunden bin ich am Ende des malerischen Lago Krüger bei der verlassenen Hosteria angelangt. Von dort wandere ich oberhalb des Flusses durch den dunklen Wald mit uralten Bäumen und durch etliche Tunnel aus bis zu 4 Meter hohen dichten vertrockneten Bambusstangen. Bei Palangan fließt ein rauschender Gebirgsbach in den reißenden türkisgrünen Rio Frey mit seinen über einen Meter hohen Wellen. Da zelten nicht erlaubt ist, kann ich in der großen leeren Hosteria übernachten. Ein Sturm zieht über den Lago Krüger und fegt um das Holzhaus.

 

Nach weiteren Tagen im Park ist es ein tolles Gefühl, endlich wieder auf der Asphaltstraße zu rollen. Die Berge treten in den Hintergrund und wir fahren durch trockene zunächst noch flache Weidelandschaft. In Esquel am Bahnhof fährt die Dampfeisenbahn „La Trochita“, „das Zügelchen“ pfeifend und viel schwarzen Rauch ausstoßend ab. Die Schmalspurbahn kutschiert auf nur 75 cm breiten Schienen und zieht acht alte belgische Holzwaggons hinter sich her. Die Lok wurde im Jahre 1922 von den Henschel-Werken in Kassel gebaut und ist 45 Tonnen schwer. Auf harten Holzpritschen sitzen die Touristen und erleben auf der Fahrt ins 20 km entfernte Mapuche-Dorf Nahuel Pan, wie das Reisen früher mit dem alten Patagonien-Express war. Schon bald hinter Trevelin beginnt die Schotterpiste RN 259, die aus der trockenen Steppe Richtung der Zweitausenderkette der Anden führt. Mit 20 km/h bewegen wir uns bei herrlichem Wetter fast allein durch die hügelige idyllische Landschaft mit Weiden, auf denen Pferde und Schafe grasen. Verstreut liegen einige kleine Estáncias und Cabanas. Zwei Gauchos auf Pferden kommen uns mit ihren fünf Hunden entgegen und grüßen freundlich zurück. Über die Brücke des Rio Futaleufquen erreichen wir das kleine argentinische Grenzgebäude und sind die einzigen Reisenden.

 

Fortsetzung siehe Bericht Chile 4.