Argentinien 3

 

Von Provinz Mendoza bis Provinz Jujuy                              

 

Vom 05. bis 21. April 2015

 

Fortsetzung von Bericht Chile 1

 

Die entsprechenden Fotos findet man am Ende des Textes.

 

Nachdem wir durch den Tunel Cristo del Redentor die Grenze von Chile nach Argentinien überquert haben, biegen ab zum Besucherzentrum Horcornes des Provinzparks Aconcagua. Dort wandern wir zum Aussichtspunkt und zu den Lagunen Espejo und Hocornes. Bei toller wolkenloser Fernsicht sehen wir vor uns das Dach Amerikas, den 6.962 m hohen Aconcagua. Fast zwei Stunden genießen wir mit nur wenigen anderen Touristen den phantastischen Blick auf diesen gletscherbedeckten Berg, an dem schon mehr als 120 Bergsteiger ihr Leben gelassen haben. Nach der zeitraubenden chilenisch-argentinischen Grenzabfertigung besichtigen wir die Puente del Inca, eine der großen Sehenswürdigkeiten Argentiniens und UNESCO-Naturdenkmal. Schon der Weg der Inka verlief über diesen 28 m breiten und 47 m hohen Viadukt, der den reißenden Fluss überquerte. Diese beeindruckende natürliche Brücke mit ihren rötlich-gelben Färbungen entstand durch Ablagerungen, die von einer höher gelegenen, schwefelhaltigen Quelle stammen. Wir fahren durch mehrere Tunnel auf 2.200 m Höhe, immer wieder schauen scheinbar unbezwingbare Bergriesen auf uns herab. Der Wind fegt durch das Tal des Rio Mendoza, das sich immer mehr weitet und von vertrockneten Büschen bewachsen ist. Oft sehen wir am Straßenrand kleine Opferstellen mit wassergefüllten Plastikflaschen.

 

Die Stadt Mendoza erreichen wir Anfang April bei 26° Grad in 1.700 m Höhe. Riesige Weinfelder zur Rechten und Buschwerk und Weiden links der Straße. So unterschiedlich kann die Landschaft durch Wasserversorgung in bestimmten Gebieten aussehen. LKW-Anhänger sind bis oben mit Weintrauben beladen und die Apfelbäume hängen voll. In Argentinien fällt uns auf, dass es hier viele Autos gibt, die 40 oder 50 Jahre alt sind. An der Ruta 7 sind in der Provinz San Luis alle 50 m auf beiden Seiten der Straße Laternen aufgestellt, und das über mindestens 180 km bis Villa Mercedes. Die Provinz San Luis muss sehr reich sein oder über Beziehungen haben hier einige Leute viel Geld verdient. Ganz abgesehen davon, wieviel Strom hier verbraucht wird in diesem Land, das in der wirtschaftlichen Entwicklung nicht gerade glänzt. Dafür ist die Straße hinter San Luis zum Teil erbärmlich und Tankstellen gibt es daran fast gar nicht. Wir passieren eine Fahrzeugdesinfektion und mehrere Polizeikontrollen.

 

In der Provinz Cordoba finden wir einen schönen Stellplatz am Ufer des Stausees Embalse Tercero. In Villa General Belgrano merken wir sofort, dass sich hier Deutsche und Schweizer niedergelassen haben: Viele Häuser haben deutsches Aussehen und die Rasenflächen und Gärten davor sind gepflegt. Viele deutsche Namen (Hoffmeister, Engel, Munich, Berlin, Edelweiss, Stein, Berghütten, Bremen) sind hier zu finden, und zwar aus folgendem Grund: Im Jahre 1939 wurde das große deutsche Schlachtschiff GRAF SPEE auf dem Rio de la Plata vor Montevideo von vielen Zerstörern umzingelt und war chancenlos. Der deutsche Kapitän befahl seiner 1.500-köpfigen Besatzung, das Schiff zu verlassen und ließ es versenken. Im Hotel von Montevideo erschoss er sich. Die Mannschaft kam in ein Internierungslager bei Villa General Belgrano. 500 Männer blieben dort, bauten Häuser und kultivierten das Land. Später kamen aus Deutschland und der Schweiz weitere Zuzügler. So veränderte sich dieser Ort zu deutschem Flair mit der Attraktion des Oktoberfestes, des größten Bierfestes in Argentinien. Wir halten auf dem Campingplatz La Florida, der von Ralf Lage und seiner Frau Bettina gut geführt wird. Sie haben den Platz vor 20 Jahren angelegt, in der Mitte eine gemütliche Hütte, in der Ralf an diesem Abend hervorragendes Kassler, Wurst und Bauchfleisch mit Kartoffeln und Sauerkraut serviert. In der Hütte hängt auch das Original-Wappen vom untergegangenen Kriegsschiff GRAF SPEE.

 

In Cordoba holen wir Ilka und Wolfgang vom Flughafen ab, mit denen wir gemeinsam drei Wochen durch Nordwest-Argentinien und die Atacama-Wüste in Chile reisen wollen. In der Provinz Catamarca ziehen dunkle Wolken über die Anden, als wir den reißenden lehmbraunen Fluss bei Lamadrid überqueren, an dem viele Menschen stehen. Polizei und Busse stehen bereit, anscheinend für Evakuierungsmaßnahmen der Bevölkerung. In der Provinz Tucuman steuern wir bei Santa Maria auf die Anden zu. Die subtropische Vegetation wird immer grüner und undurchdringlicher mit viel Bambus und Laubbäumen, abgerutschten Berghängen und entwurzelten Bäumen. Die Straße windet sich in Kurven die Berge hinauf nach La Angostora auf 1.840 m in baumloser Landschaft. Vor uns sehen wir die baumlosen Anden und den Lago Angostura, bevor wir Tafi del Valle erreichen. Dieser Gebirgsort erstreckt sich über ein großes Gebiet an den Berghängen mit vielen schicken Ferienhäusern von sicher gar nicht armen Leuten. Auch danach führt die Straße ständig bergan bis auf 3.045 m zum Abra del Infernito, wo Pferde, Lamas, Alpakas und Schafe grasen. Von nun an führt die Straße bergab und auf dieser Seite der Berge sehen wir nun stattliche Cardón-Kakteen von über 5 m Höhe und bei den Estancias herbstlich gelb gefärbte Pappelalleen. In dieser Gegend gibt es 360 Sonnentage im Jahr. Durch diese tolle Landschaft fahren wir bis auf 2.000 m hinab nach Amaichá del Valle, wo unser Camper dem Franzosen Xavier auffällt, den wir vor etwa 10 Monaten bei einem Autoposto in Brasilien getroffen haben. Ein gemütlicher gemeinsamer Asado-Abend auf dem Campingplatz schloss sich an. Im Ort besichtigen wir das überaus interessante Museo Pachamama. Das Museum ist der Pachamama, der verehrten Mutter Erde gewidmet und eines der größten für indianische Kultur in Argentinien. Im Außenbereich bewundern wir phantastische Schwarz-Weiß-Mosaike an den Hauswänden und auf dem Boden sowie einige Skulpturen. In den Räumen bestaunen wir die Bilder des Künstlers Hector Cruz und seine kunstvoll gewebten Wandteppiche. Später in Cafayate halten wir bei der Bodega Nanni und können uns gerade noch bei der Kurzbesichtigung mit Weinprobe einklinken. An der Plaza in der Ortsmitte setzen wir uns bei einer Pizzeria draußen an die Straße. Wir lassen an diesem Abend das pulsierende argentinische Leben an uns vorbeiziehen, das erst nach 22 Uhr so richtig beginnt. Viele kleine Kinder sind noch mit ihren Eltern unterwegs, oft sehen wir Vater und Mutter mit zwei Kindern auf einem Moped umherfahren, ohne Helm.

 

Auf dem Weg mit unserem RMB Wohnmobil nach San Carlos fahren wir vorbei an den Weinfeldern im von 1.700 bis 3.000 m höchstgelegenen Weinanbaugebiet der Welt. Von nun an liegen 150 km einfacher Schotterpiste durch das Valle Calchaquies vor uns, über die wir mit höchstens 20 km/h holpern. Durch trockene Landschaft mit kargem Buschwerk geht es bei 32° Grad vorbei an ärmlichen Behausungen mit traditioneller Lehmziegel-Bauweise und Strohdächern. Das Tal wird enger und in der Ferne sehen wir, wie der Rio Calchaquí die Grundlage für eine grüne Oase in seinem Flussbett bildet. Auf den Bäumen sitzen viele grüne Papageien. Entlang der Erdstraße fallen uns immer wieder verlassene Häuser von Menschen auf, die hier keine Lebensgrundlage mehr finden konnten. Wir sehen uns einen Friedhof an, der zum großen Teil von Wasser überspült wurde und über den nun der Wind den Staub treibt. Dann durchfahren wir die verzauberten Landschaften von Quebrada de Estanque und Quebrada de la Flechas mit ihren faszinierenden Felsformationen. Über unserem Stellplatz in der Wüste breitet sich ein phantastischer Sternenhimmel aus. In 2.000 m Höhe werden bei 37° Grad gerade Zwiebeln geerntet und in Säcken gesammelt. Einige Felder sind vollständig bedeckt mit roten Paprika und sie bilden einen tollen Kontrast zur trockenen Umgebung. In Molinos schauen wir uns die Iglesia de San Pedro de Nolasco und den idyllischen Innenhof der Finca Isasmendi an.

Der Ort Cachi liegt in einer Höhe von 2.280 m und verfügt über einen schönen städtischen Campingplatz. Wegen dieser Höhenlage wurden hier Trainingsanlagen gebaut und Hochleistungssportler bereiten sich auf Olympische Spiele und andere Wettkämpfe vor. Wir steigen zum Friedhof hinauf, der auf einem Hügel liegt. Dort beobachten wir die Drone eines argentinischen Filmteams.  Wir genießen die Atmosphäre von der kleinen Terrasse eines Cafés mit Blick auf die idyllische Plaza und besichtigen die Kirche und den historischen Ortskern. In knapp 3.000 m Höhe durchqueren wir den 700 qkm großen Parque Nacional Los Cardónes im Valle Tin Tin. Hier stehen tausende der säulenartig wachsenden, vielarmigen Kandelaberkakteen, die über 10 m groß werden. Der harte Stamm des Cardón liefert schon seit Jahrhunderten das Holz für Türen, Dächer und Fenster. In dieser Hochebene sehen wir wilde Esel und Herden von Guanacos, die kleineren Vettern der Lamas. Schließlich sind wir oben in der Cuesta de Obispo am Piedra del Molino in 3.367 m Höhe und blicken hinunter in das grüne Tal, aus denen graue Wolken an den Bergen hinaufziehen, um sich weiter oben aufzulösen. Hier oben wurde irgendwann ein tonnenschwerer Mühlstein abgelagert und keiner weiß wie der dort hingekommen ist. Die Straße führt in vielen Serpentinen bergab in das nun immer grüner werdende Tal mit Schafen an den Hängen. Eine einsame Radfahrerin kommt uns entgegen. Alle Achtung! Weit unten wird die Vegetation der Yungas nun immer üppiger mit sattgrünen Bäumen, Sträuchern und Feldern, an denen die Menschen in einfachen Häusern leben.

 

Auf dem Campingplatz in Salta unterhalten wir uns mit Rudi und Rita, die mit ihrem riesigen Allradfahrzeug seit 5 Jahren in Südamerika unterwegs sind. Auch mit Argentiniern und Brasilianern haben wir mit einfachen Worten nette Unterhaltungen. Mit dem Taxi lassen wir uns zur Plaza 9 de Julio im Zentrum bringen. Dort setzen wir uns in ein Café in der Nähe des Cabildo, des Rathauses mit seinen fast 30 Rundbögen. Wir spazieren vorbei an der rot-gelb gestrichenen Iglesia San Francisco zum Parque San Martín, der an diesem Sonntag von vielen Einheimischen bevölkert wird. In der Kathedrale beeindruckt uns der spätbarocke goldene Altar. Am Abend sind etliche Gebäude beleuchtet und die Straßen und die Plaza inzwischen voll mit Menschen. Dadurch fallen die Bausünden einiger in dieses Ambiente unpassender moderner Gebäude gar nicht mehr so auf.

 

Knapp 200 km nördlich steigt hinter Purmamarca die Cuesta de Lipán (RN 52) zunächst allmählich, dann steiler und in vielen Serpentinen bergan. Heute liegt eine Strecke von 400 km bis San Pedro de Atacama in Chile vor uns. Denn wir wollen nicht in der Puna-Hochebene in Höhen von knapp 4.000 m übernachten und eventuell die Höhenkrankheit bekommen. Ständig im ersten Gang mit 20 km/h fahren wir an kahlen Felsen entlang und an den letzten Cardón-Kakteen vorbei die Berge hinauf. Herrliche Ausblicke bieten sich im Morgenlicht auf die Anden, die Straße und die Täler. In der Puna-Hochebene in über 4.100 m Höhe sehen wir Guanakos am Straßenrand, die sich von den spärlichen Grasbüscheln ernähren. In Serpentinen geht es wieder bergab zum riesigen Salzsee Salinas Grandes, der bereits vor 20.000 Jahren ausgetrocknet ist. In dieser 525 qkm großen abgelegenen Salzwüste in 3.420 m Höhe wird das kostbare Salz von der 50 cm dicken Kruste abgekratzt, in Haufen gelagert und dann in LKW’s abtransportiert. Weiter geht es durch die Puna mit roten Sandsteinfelsen und wilden Eseln, vorbei am trostlosen Wüstenort Susques mit ärmlichen, teils verlassenen Häusern. In der Ferne sehen wir bereits den fast 80 km langen Salzsee Salar de Olaroz, den wir anschließend durchqueren. Wir fahren Richtung Westen auf die schneebedeckten höchsten Andengipfel dieses Gebietes. Über Paraje Mucar erreicht unser schnaufender Vagabundo den Paso de Jama in 4.123 m Höhe und damit die Grenze zwischen Argentinien und Chile. In dieser Einsamkeit der Puna ist die neue gemeinsame Grenzabfertigung beider Länder.

 

Fortsetzung siehe Chile 2 -  Altiplano und Atacama-Wüste